Berlin – Hohe Temperaturen in Deutschland – und Frauen zeigen viel Haut. Sie tragen Röcke, Kleider, Hotpants. Von einer Gleichberechtigung der Geschlechter aber kann in diesem Punkt keine Rede sein.
Zwar sehnen sich auch viele Männer bei Hitze nach einem leichteren Outfit, doch schwirrt vielen im Kopf der Satz herum: «Wie Du kommst gegangen – so wirst Du auch empfangen». Männer denken rasch, sie würden nicht mehr ernst genommen, wenn sie wie kleine Jungs eine kurze Hose anziehen.
Mit kurzer Hose den Blick auf nackte Beine zu lenken, das gilt vielen nach wie vor als Tabu. Stilexperten zucken zusammen, wenn sie an behaarte Unterschenkel in der Öffentlichkeit denken. Doch es scheint da etwas modisch in Bewegung. Dürfen Männer im Sommer inzwischen vielleicht doch genauso Bein zeigen wie Frauen?
«Kurze Hosen gehören im Sommer ganz klar zum Freizeit-Outfit dazu. Dass heute junge, modisch interessierte Männer ganz bewusst zu unterschiedlichen Anlässen gerne Shorts tragen, hat sicherlich auch etwas mit einem wachsenden Körperbewusstsein und dem grassierenden Fitnesstrend zu tun», sagt der Männermode-Redakteur Sebastian Schwarz vom Fachmagazin
«Textilwirtschaft» in Frankfurt. «Immer mehr Männer treiben Sport, gehen regelmäßig ins Fitnessstudio und wollen natürlich zeigen, wie fit sie sind.» Das Körperverständnis des Manns habe sich gewandelt. Und der Sommer ist eben auch Muskel-Zeigezeit.
Ist 2018 also das Jahr des Durchbruchs der kurzen Hose? So weit möchte Mode-Experte Schwarz nicht gehen. Für Freizeit und Sport seien Shorts okay – an heißen Tagen sowieso. «Aber gerade am Arbeitsplatz und in den meisten Büros haben kurze Hosen nichts zu suchen.»
Doch insgesamt setzt sich der Casualgedanke in der Männermode durch – ein Langzeittrend. Alles wird immer lässiger, sportlicher, auch körperbetonter. Das zeigt sich zum Beispiel im Siegeszug der Jogginghose, die nicht mehr nur auf der Couch oder eben zum Sport getragen wird, sondern auch ganz selbstverständlich in der Freizeit. Auch kurze Jogginghosen sind im Straßenbild immer öfter anzutreffen.
Eine Begleiterscheinung von Jogpants aus Sweat- oder Jerseystoff: Im Schritt zeichnet sich bei manchem Mann zuviel ab – kurz: Es gewährt vielleicht mehr Einblicke als vom Träger beabsichtigt.
Die Stilbloggerin Danijela Pilic aus München meint: «Shorts aus Jersey oder anderen Materialien, die an Badehosen erinnern, sind ein No-Go, außer, man befindet sich am Strand.» Auch verboten sind ihrer Ansicht nach Cargoshorts, Dreiviertellänge oder «witzige» Prints: «Der Sommer ist kein Freifahrtschein für nachlässige, schmuddelige Outfits.» All das sollte auch im Urlaub beachtet werden, findet die Autorin des Blogs
«Glam Slam» der Zeitschrift «Glamour»: «Das Image des schlecht gekleideten Sommerdeutschen muss nicht aufrecht erhalten werden.»
Pilic stellt auch klar: «Natürlich dürfen Männer im Sommer kurze Hosen tragen, alles andere geht am Leben vorbei.» Doch sie betont: «Das Problem besteht häufig mit dem Rest des Looks. Shorts sind kein grünes Licht für ausgelatschte Flip-Flops und ein verblichenes T-Shirt.» Gut seien ungefähr knielange, glatte Shorts aus Baumwolle, ein gebügeltes Hemd und Sneakers oder Schlupfschuhe dazu, zum Beispiel Espadrilles oder Loafers. Wichtig: keine Socken. Oder höchstens Socken, die unterhalb der Knöchel enden.
Damit widerspricht Pilic dem Look einiger Hipster und Clubgänger, etwa in Berlin, die lockere kurze Hosen mit hochgezogenen Sportsocken kombinieren. «Wenn Füßlinge unsichtbar sind, und nur dann, sind sie erlaubt», meint die Stilexpertin. «Wem das zu sehr Yuppie oder Yachtbesitzer ist, sollte lieber zur leichten, langen Leinenhose greifen.»
Mode-Experte Schwarz ergänzt: «Je kürzer eine kurze Hose ist, desto mehr fällt sie auf. Aber einige Männer wollen natürlich gerade das erreichen. Je modisch informierter, fitter und selbstbewusster ein Mann ist, desto eher kann er es sich leisten, eine wirklich kurze Hose zu tragen. Höher als eine Hand breit oberhalb der Kniescheibe sollte sie aber nicht enden.»
Fotocredits: Roy Robson,Michael Kors,Tom Tailor
(dpa/tmn)