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Taschenliebe zwischen Manie und Verzicht

Berlin (dpa) – Geschleppt bis zum Zerfall, gestohlen und doch wiedergefunden oder begehrt ein ganzes Leben: Taschen hat Frau nie genug, so die weitläufige Meinung. Diese Art der Leidenschaft leben viele, zuweilen fast als Manie, stets das zum Outfit passende oder angesagteste Modell zu haben.

Die Behältnisse, in denen eine Frau Nützliches, Brauchbares, Unverzichtbares und oft auch Überflüssiges mit sich trägt, sind sogar eine Investition in die Zukunft – wenn sie Namen wie Birkin Bag oder Lady Dior tragen.

Aber auch eine currygelbe omahafte Umhängetasche kann zum Objekt der Begierde werden, wie in Manuela Reicharts Buch «Taschenliebe» nachzulesen ist. Die Berliner Radiomoderatorin und Autorin hat 19 Frauen – darunter eine Schriftstellerin, eine Publizistin, eine Philosophin, eine Regisseurin und eine Filmemacherin – nach ihrer Taschen-Geschichte gefragt. «Es gab nur sehr wenige Autorinnen, die meinten, ihnen fiele nix zum Thema ein», berichtet sie von den Reaktionen.

Eine hatte nach dem Tod ihrer Mutter rund 100 Taschen und Täschchen gefunden – und schreibt über einen Jungen, der dank seines Faibles dafür Karriere machte. «Seine Plaudertaschen wanderten nach ihrer Präsentation in der großen Bank durch Museen und honorige Galerien.» Eines Tages würden sie Gesellschaft bekommen, «Kleider aus zurückliegenden Epochen». 

Auch Felicitas Hoppe, die selbst immer mit einem Rucksack unterwegs ist, hat eine «Kleine Taschenkorrespondenz» beigesteuert, Theresia Enzensberger eine «Ode an die Nierentasche» und Tanja Dückers die Erinnerung an «Meine Candy Bag». 

In Reicharts 214-seitigen Taschenbuch tummeln sich zudem die «Handtaschenträgerin von Format», eine, für die die immer gleiche schwarze Rucksacktasche «mein Ein und Alles ist», eine Autorin, die ihrer während einer Rauchpause auf dem Bahnsteig mit dem ICE entglittenen Handtasche durch halb Nordrhein-Westfalen hinterher fährt oder eine Frau, die nach einem fast berauschenden Abend mangels Handtasche obdachlos durch die Nacht irrlichtert und der verloren geglaubten Tasche nachweint – bis zum Morgen. 

Reichart selbst gehört zu den monogamen Taschenträgerin. «Ich trage immer dieselbe, bis sie auseinanderfällt.» Nur abends kommt eine kleine Zweitliebe zum Tagen. Die von ihr gesammelten Geschichten über Taschen und ihre Inhalte, Erinnerungen an gefürchtete und geliebte Taschen, an verlorene und wiedergefundene, an bedrohliche und ersteigerte Taschen zeugen von vielfältiger Leidenschaft – zwischen Ablehnung und Faszination.

«Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass Designertaschen heute als allerbeste Anlage gelten», sagt Herausgeberin Reichart über den Anstoß zu diesem Buch. Frauen kaufen etwa eine – irrwitzig teure – Birkin Bag, schließen sie in den Safe ein und bezahlen damit 20 Jahre später die Ausbildung ihrer Tochter. «Verrückt: Luxustaschen statt Aktien, so steht es in ihrem Vorwort. Auch in «Taschenliebe» kommt ein solch Luxus vor: als Zeichen guten Stils, als Erbstück und als Objekt der Begierde.

Literatur:

Manuela Reichart: Taschenliebe – Ein literarisches Lesebuch, btb Verlag München, ISBN-13: 978-3-442-75704-6

Fotocredits: –

(dpa)
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